Sekundäre Darlegungslast und tatsächliche Vermutung bei Filesharing – wer muss was beweisen?
Zu einer der umstrittensten Fragen bei Abmahnungen wegen Filesharings zählen Umfang und Inhalt der sekundären Darlegungslast. Mit diesem Beitrag möchten wir Ihnen dieses System verständlich machen. Der Inhalt soll Sie in die Lage versetzen, Ihre eigene Position und Ihre Verteidigungschancen realistisch einschätzen zu können.
Beweisprobleme
Oftmals kommt es im Falle von illegalem Filesharing zu Beweisproblemen. Über Tauschbörsen werden jeden Tag tausende urheberrechtlich geschützte Inhalte zum Download angeboten. Geschieht dies ohne Zustimmung des Rechteinhabers, werden Urheberrechte verletzt. Der Rechteinhaber schaltet in diesem Fall oftmals eine spezialisierte Anwaltskanzlei ein und geht mit einer Abmahnung, einer einstweiligen Verfügung oder letztlich mit einer Klage dagegen vor.
Der Rechteinhaber kann bei einer Abmahnung im Regelfall nur nachweisen, über welchen Anschluss die Urheberrechtsverletzung begangen wurde, nicht aber, ob der betroffene Inhalt vom Anschlussinhaber oder ggf. einer anderen Personen heruntergeladen und eingestellt wurde, die ebenfalls Zugang zum Internetanschluss hatte.
Umgekehrt fällt es Anschlussinhabern schwer, die gegen sie geltend gemachten Ansprüche abzuwehren, wenn sie die Rechtsverletzung nicht selbst begangen haben.
Tatsächliche Vermutung und sekundäre Darlegungslast
Dabei kommt nun die „tatsächliche Vermutung“ und die „sekundäre Darlegungslast“ ins Spiel.
Der Bundesgerichtshof (BGH) entwickelte deshalb ein abgestuftes Darlegungs- und Beweissystem:
- Zunächst ist der Rechteinhaber an der Reihe. Er muss in einem ersten Schritt darlegen und nachweisen, dass der in Anspruch genommene Anschlussinhaber für die behauptete Rechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (sog. primäre Darlegungslast). Dieser Nachweis gelingt dem Rechteinhaber in der Regel durch Vorlage entsprechender Ermittlungsergebnisse sowie einer entsprechenden Providerauskunft. Dann besteht laut BGH eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der ermittelte Anschlussinhaber als Täter für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist. Trotz vielfacher Kritik entspricht dies der aktuellen Rechtsprechungslinie. Somit gehen die Gerichte in diesen Fällen zunächst davon aus, dass der Anschlussinhaber die betroffene Datei selbst „getauscht“ hat.
- Wenn die tatsächliche Vermutung im Raum steht, sind in einem zweiten Schritt Sie als Anschlussinhaber an der Reihe. Sie müssen die bestehende tatsächliche Vermutung, Täter der Urheberrechtsverletzung zu sein, erschüttern. Dabei ist nicht erforderlich, dass Sie die Vermutung widerlegen und einen Gegenbeweis erbringen. Diese Mitwirkungspflicht rechtfertigt sich aus Sicht des BGH aus dem Umstand, dass der Rechteinhaber weder nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände noch Möglichkeiten zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während Ihnen als Anschlussinhaber nähere Angaben ohne weiteres möglich und aus Sicht der Gerichte auch zumutbar sind.
Sekundäre Darlegungslast
Die sekundäre Darlegungslast stellt also eine Art Mitwirkungspflicht dar. Was genau dafür gefordert wird, ist sehr umstritten. Neben der prozessualen Wahrheitspflicht und der Erklärungslast darf es jedoch nicht zu einer Umkehr der Beweislast zu Ihren Lasten als Anschlussinhaber kommen. Die Anforderungen dürfen nicht überspannt werden. Keinesfalls darf die sekundäre Darlegungslast so weit gehen, dass Sie als Anschlussinhaber durch eigene Nachforschungen beweisen müssten, wer der Täter der Urheberrechtsverletzung ist.
Auch müssen Sie dem Rechteinhaber nicht alle für den Prozesserfolg nötigen Informationen zur Verfügung stellen oder den Beweis des Gegenteils in dem Sinne erbringen, dass Sie sich bei jeder über Ihren Internetzugang begangenen Rechtsverletzung vom Vorwurf der täterschaftlichen Begehung entlasten oder exkulpieren müssten.
Sie als Anschlussinhaber genügen ihrer sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass Sie dazu vortragen, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu Ihrem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang sind Sie im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse Sie dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen haben.
Sie sollten es als Anschlussinhaber vermeiden, lediglich pauschal zu bestreiten oder auf die theoretische Möglichkeit des Zugriffs anderer im Haushalt lebender Dritter zu verweisen. Als Anschlussinhaber haben Sie vielmehr nachvollziehbar vorzutragen, welche Personen mit Rücksicht auf das jeweilige Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die in Rede stehende Verletzungshandlung ohne Ihr Wissen und Zutun zu begehen.
Was dann?
Entsprechen Sie Ihrer sekundären Darlegungslast wie oben geschildert, ist es wieder Sache des Rechteinhabers, die für eine Haftung des Anschlussinhabers als Täter der Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen. Gelingt dem Rechteinhaber dies nicht, scheidet für Sie eine Haftung als Täter oder Teilnehmer der Urheberrechtsverletzung aus. Kann er jedoch nachweisen, dass keiner der anderen möglichen Mitnutzer als Alleintäter in Frage kommen, kann das Gericht zu dem Schluss kommen, dass Ihre Täterschaft als Anschlussinhaber „bewiesen“ ist (AG Düsseldorf, Urteil vom 14.10.2014 – 57 C 4661/13).
Allenfalls kann eine Verantwortlichkeit nach den Grundsätzen der Störerhaftung verbleiben, wenn Sie verpflichtet waren, das Internetverhalten anderer Nutzer des Internetanschlusses zu überwachen bzw. zumindest entsprechende Verbote auszusprechen und der andere Nutzer diesen Pflichten nicht nachgekommen ist.